Donnerstag, 23. August 2012

Rostock Lichtenhagen - Erinnerungen an die Pogromnacht 1992

Rostock 1992, ehemalige Bezirksstadt, der kommunistischen (und angeblich antifaschistischen) DDR, kurz nach der Wiedervereinigung.

Das 1992 noch geltende Grundrecht auf einen Asylantrag führte dazu, das Deutschland einer Flut von Asylsuchenden gegenüberstand. In Rostocks Stadtteil Lichtenhagen herrschten ghettoisierte Zustände. In der Mecklenburger Allee Nr. 19 lebten die vietnamesischen Vertragsarbeiter zusammen mit ihren Familien, die von der DDR eins als billige Arbeitskräfte ins Land geholt wurden, bereits seit mehr als 10 Jahren. Daneben, in der Mecklenburger Allee Nr. 18 war die zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZAst) untergebracht.

Das Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen
Das Flüchtlingsheim im sogenannten Sonnenblumenhaus war durch das geltende Grundrecht auf Asyl hoffnungslos überbelegt und so mussten, schon Monate vor dem 22.August.2012 bis zu 400 Flüchtlinge gleichzeitig vor dem Haus in freier Betonhochbautenwildbahn campieren. Sie verrichteten ihre Notdurft gezwungenermaßen in den Gärten der übrigen Anwohner, sie hatten kein Geld, sie hatten nichts zu essen. Damals verweigerte der SPD (!!!) Oberbürgermeister der Stadt den Flüchtlingen sogar den "Luxus" mobile Toiletten aufzustellen, "damit die Zustände nicht legalisiert werden", so hieß es damals von Seiten der Obrigkeit. Gesundheitsbehörden warnten zudem vor Infektionskrankheiten, Bürgerinitiativen gegen die subjektiv empfundene Flüchtlingsflut gründeten sich, es wurden Flugblätter verteilt auf denen Turnusgemäß zu lesen war "Rostock muss deutsch bleiben" (...). Die Rechten legten dann noch mit der (total unsinnigen) Parole "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg" einen oben drauf  In den 2 Rostocker Tageszeitungen wurden die Ausschreitungen sogar durch anonyme Leserbriefe bzw. Anrufe angekündigt, sofern die ZAst nicht bis zum Wochenende des 22. - 23.Augustes 1992 geräumt werden sollte. Das wahnsinnige daran: Die ZAst sollte eine Woche nach den Ausschreitungen eh` verlegt werden. Die Presse saugte all die offene und versteckte Fremdenfeindlichkeit in sich auf und druckte teilweise hetzerische Artikel. Die perspektivlose, arbeitslose Rostocker Jugend suchte einen Schuldigen und hatte ihn in den Flüchtlingen, die wie auf dem Präsentierteller auf eine Antragsbearbeitung warteten, gefunden. Gelenkt auch durch einige wenige Nazikader, wie Christian Worch, ließ sie sich verleiten, ignoriert und falsch verstanden von Politik und Behörden breiteten sich die Wurzeln des Faschismus rasend schnell aus und schlugen in offene, Tage andauernde Gewalt um.

Polizeipräsenz am Sonntag, viel zu wenige.
Am frühen Samstagabend des 22.Augustes begann die Gewalt zu entfachen, etwa 2000 Menschen versammelten sich vor dem Sonnenblumenhaus, einige begannen unter "Ausländer raus" und "Sieg Heil" Rufen Waschbetonplatten zu zerbrechen und sie als Wurfgeschoße zu verwenden. Es gab sogar Gratisbier für die Randalierer durch lokale Gaststättenbetreiber. Die Polizei war nur mit wenigen Kräften vor Ort und musste immer wieder zurückweichen, es gab eine mehrstündige Strassenschlacht zwischen aufgebrachten, faschistisch geblendeten Bürgern und der Polizei, immer wieder wurde auch das Wohnaus der Vietnamesen und das Haus der ZAst mit Steinen angegriffen. Am darauffolgenden Sonntagnachmittag versammelten sich erneut Menschen vor dem Haus, darunter nun auch (bekannte) Neo-Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet, etwa 3000 Menschen kamen bis zum Abend zusammen, doch auch die Polizei war wesentlich stärker präsent, als noch am Abend zuvor das jedoch hielt die Randalierer, etwa 500 an der Zahl, nicht davon ab Steine, Brandsätze und Feuerwerkskörper auf das Sonnenblumenhaus und auf Polizisten zu schmeißen den Beifall der umherstehenden 2500 Menschen und deren Hassparolen hatten sie ja zusätzlich auf ihrer Seite. 80 Menschen wurden an diesem Abend festgenommen, doch, 60 davon waren linke Demonstranten, die sich zu einer Solidaritätskundgebung zusammengefunden hatten, da hatte es die Polizei auch leichter, denn die, haben sich nicht gewehrt. Im späteren Verlauf des Abends löste der damalige Innenminister Lothar Köpfer Alarm aus und die örtliche Polizei bekam Unterstützung durch 2 Hunderschaften aus Hamburg und einen BGS Zug. Spät in der Nacht konnte die Krawalle gestoppt werden.


Doch die ging am Montag unverhohlen weiter, obwohl die ZAst am Nachmittag evakuiert wurde, nun richtete sich die Gewalt ausschließlich gegen die Vertragsarbeiter aus Vietnam, die Jahrelang für wenig Geld, harte Arbeit in Deutschland verrichtet hatten. In dem Haus der Vietnamesen befanden sich um die 120 Menschen, darunter auch Kinder, sowie der Ausländerbeauftragte der Stadt Rostock, einige Antifaschisten und wohl auch ein Fernsehteam. Am Abend griff der aufgebrachte Mob erneut die Polizei an, die zog sich zurück und überließ das Haus in der Mecklenburger Allee 19 seinem Schicksal. Brandsätze und Steine flogen in die Scheiben der unteren Etagen, Balkone wurde erklommen und Gardinen angezündet, Wohnungen wurden gestürmt und Einrichtungen zertrümmert, immer begleitet von Sprechchören alla "Ausländer raus!".

Gegen 22 Uhr rief eine Anwohnerin die Feuerwehr, die aber erst gegen 23 Uhr an den Brandherd herankam, da Schaulustige und Randalierer der Feuerwehr und der Polizei den Weg versperrten. Gegen 24 Uhr waren die Feuer gelöscht. Mehrere Vietnamesen hatten sich aufs Dach gerettet, andere verschanzten sich in höher gelegene Etagen. Ums Leben kam niemand. Die Vietnamesen wurden in Notunterkünfte gebracht, eine nur spärlich bewachte Sporthalle, in der sie tagelang ausharren mussten.

Obwohl die 2 Gebäude nun evakuiert waren, ging die Randale noch 2 Tage weiter, die Gewalt richtete sich fortan gegen die Polizei, allein in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurden 65 Polizisten verletzt.

Am Tag danach dann, am 27.August.1992 demonstrierten 3000 Rostocker gegen Fremdenhass und Rassismus, fraglich wo die alle - während - der Ausschreitungen waren.

Viele Fehler wurden während der Ausschreitungen durch Polizeiführung und Politik begangen: Wasserwerfer in der falschen Stadt stationiert (Schwerin), nicht genügend Einsatzkräfte, fehlende Koordination, Einsatzleiter stundenlang nicht vor Ort sondern Zuhause uswusw. Einige unterstellen hier Absicht der höchsten damaligen politischen Führung (Ära Kohl/CDU), es wird gemunkelt die Polizei wäre absichtlich so, ich formuliers mal vorsichtig, gemäßigt bis gar nicht eingeschritten um das Asylrecht "endlich" verändern, verschärfen zu können und so ist es dann ja auch kurze Zeit später passiert. Im Dezember des Jahres 1992 beschloß der deutsche Bundestag mit den Stimmen der FDP, CDU und der SPD eine Verschärfung des Asylrechts, damit wurde das Grundrecht auf Asyl abgeschafft. Die Vietnamesen wurden nach Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung ausgewiesen. "Eine Verlängerung fände keine Akzeptanz in der Bevölkerung" so die Behörden.


                         Eindrucksvolle Doku zu den rechtsextremen Aufständen in Lichtenhagen

2 Kommentare:

  1. Huhu!

    schau mal, hab dich verlinkt.

    http://bjoerns-brutzelbude.blogspot.de/2012/08/hitlergru-fur-nen-fuffi.html

    wo lebst in hh?!

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  2. Nähe Bergedorf hehe. Danke fürs verlinken

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